Die Neugestaltung des Hildesheimer Doms

Hell, klar und weit – so wirkt der neugestaltete Hildesheimer Dom gleich im ersten Moment, wenn man ihn betritt.

 

Schlichtheit ist der dominante Eindruck im neugestalteten Hildesheimer Dom.

Schlichtheit ist der dominante Eindruck im neugestalteten Hildesheimer Dom.

Der ursprünglich romanische Kirchenbau wurde nach dem Konzept von Schilling Architekten, Köln, im Innern vollständig neu gestaltet – von der Bernwardtür und dem Fußboden über den Innenraum und die Kapellen bis zum Putz und dem Lichtkonzept in der Decke. Schlichtheit ist der dominante Eindruck, obwohl der Dom nicht wesentlich leerer ist als früher und natürlich auch die mittelalterlichen Kunstschätze wieder ihren festen Platz haben, wie etwa der imposante Heziloleuchter mitten im Kirchenschiff. Hier kam mit dem Thietmarleuchter im Altarraum sogar noch ein zweiter Radleuchter hinzu, der älteste der in Deutschland noch erhaltenen vier Rundleuchter aus dem Mittelalter. Er kehrte nun aus der benachbarten ehemaligen Antoniuskirche in den Dom zurück.

Der schlichte Eindruck entsteht vor allem durch die verwendeten hellen Materialien, durch den neuen Putz, die neuen Fenster und die eigens für den Dom entworfenen Kirchenstühle. Denn statt der alten Kirchenbänke gibt es nun Stuhlreihen mit rund 200 Stühlen aus hellem Eichenholz und mit einer belastbaren Papierbespannung. Bei Bedarf werden weitere Stühle aufgestellt, so dass über 600 Menschen im Dom einen Sitzplatz finden. Solche Kirchenstühle haben in anderen Ländern, zum Beispiel in Frankreich, bereits eine lange Tradition. Gefertigt hat den filigran anmutenden Hildesheimer Domstuhl der in London lebende deutsche Designer Martin Ebert. Die Stühle korrespondieren mit ebenfalls neu und hell gestalteten Sitzen für den Bischof, die Priester, Gottesdiensthelfer und Messdiener.

Neuer Putz wurde eigens für Dom entwickelt

Der Fußboden ist aus Postaer Elbsandstein aus der Nähe von Dresden. Dabei handelt es sich um einen zwar hellen, aber strapazierfähigen Sandstein, der den zahllosen Gottesdienstbesuchern und Touristen standhält. Das beim Wiederaufbau (1950 bis 1960) auf 30 Zentimeter angehobene Bodenniveau wurde wieder abgesenkt. Dadurch wirkt der Raum offener als zuvor. Die früheren Proportionen der Säulen sind nun wiederhergestellt, ihre Basen rekonstruiert worden.

Einen weiteren Beitrag zur lichteren Raumwirkung leistet der neue Verputz: Der bisherige Putz musste vollständig erneuert werden. Nur so konnten langfristig Schäden für das Bauwerk verhindert werden. Es wurde eigens für den Hildesheimer Dom ein Putz entwickelt, der allen modernen Anforderungen genügt: dem Baudenkmal und Mauerwerk angemessen, haltbar, umweltgerecht und schonend für den Menschen.

Verschwunden unter diesem Putz ist das aus den 1950er-Jahren stammende Mosaik von Ludwig Baur in der Apsis, der Stirnseite des Gotteshauses. Die schön strukturierte Betondecke aus der Wiederaufbauzeit wurde mit dem gleichen Putz verkleidet wie der gesamte Innenraum des Doms. Dies ergibt ein einheitliches, ruhiges Bild.

Prominentere Position für Heziloleuchter und Taufbecken

Zu den auffälligsten Neuerungen zählt die neue Positionierung des imposanten Heziloleuchters, des mit sechs Metern Durchmesser größten der erhaltenen mittelalterlichen Radleuchter: Er befindet sich nun im Mittelschiff des Doms. Dort hat auch das romanische Taufbecken seinen Platz. Beides war schon in früheren Zeiten mitten in der Kirche platziert und hat nun seine zentrale Position und herausgehobene Würdigung zurückerhalten. Versinnbildlicht wird dadurch zum einen die zentrale Bedeutung der Taufe für die Christen – die Aufnahme in die Gemeinschaft aller Gläubigen –, zum anderen das Ziel aller Christen: die Erlangung eines Platzes im Reich Gottes. Der prächtig verzierte Heziloleuchter ist ein Symbol für das himmlische Jerusalem, mit dem die Bibel das jenseitige Reich Gottes beschreibt, das der Mensch nach seinem Tod zu erreichen hofft.

Einer der weiteren zentralen Orte im Gotteshaus ist der Altarraum mit dem Ambo, dem Lesepult, und dem Altar. Hier sind die wichtigsten Handlungen verortet: die Verkündung des Wortes Gottes in der Verlesung der biblischen Texte (am Ambo) und die Feier der Eucharistie, dem katholischen Glauben gemäß die Wandlung von Brot (Hostie) und Wein in Leib und Blut Jesu Christi (am Altar). Der Dom hat nun einen eigens vom weltweit anerkannten Künstler Ulrich Rückriem geschaffenen neuen Hauptaltar erhalten. Er wurde aus einem einzigen, fünf Tonnen schweren Block Anröchter Dolomit gearbeitet. Beim Ambo verschmelzen Tradition und Moderne, Alt und Neu: Das bronzene Adlerpult aus dem 13. Jahrhundert, das zu den bekanntesten seiner Art gehört, hat einen neuen Sockel erhalten, welcher der modernen Optik des Doms entspricht.

Hildesheimer Domschatz gehört zu den weltweit bedeutendsten

Die Häufung herausragender Kunstschätze aus dem Mittelalter ist im Hildesheimer Dom einmalig. Der Hildesheimer Domschatz gehört zu den bedeutendsten der Welt und zu einer der wenigen umfassend erhaltenen mittelalterlichen Schatzsammlungen. Für die Zeit der Sanierung wurde ein großer Teil des Domschatzes ausgelagert und in mehreren Museen gezeigt. Einer der Höhepunkte war die Ausstellung „Medieval Treasures from Hildesheim“ (Mittelalterliche Schätze aus Hildesheim), die im September 2013 im renommierten Metropolitan Museum of Art in New York mit Teilen des Domschatzes eröffnet wurde. Der Direktor des Metropolitan Museum of Art (MET), Thomas P. Campbell, zeigte sich von den Ausstellungsstücken begeistert. Das Metropolitan Museum besitze eine lange Tradition bedeutender Ausstellungen aus Leihgaben mittelalterlicher Kunstschätze, erklärte er zur Eröffnung und nannte als Beispiele frühere Schauen mit Schätzen aus San Marco in Venedig, der Abtei von Saint-Denis oder dem Vatikan: „Die Leihgaben aus Hildesheim stechen jedoch selbst in diesem glanzvollen Kontext hervor.“ Die Ausstellung war ein voller Erfolg: 80.000 Besucher wollten den Domschatz sehen, für die New York Times gehörte die Ausstellung zu den Höhepunkten des Kunstjahres.

Die Tagesthemen berichteten über die Ausstellung in New York.Während sich viele der bis heute teilweise in Gebrauch befindlichen liturgischen Geräte, Paramente und anderen Kostbarkeiten normalerweise im Dommuseum befinden, sind einige der wichtigsten Werke ein fester Bestandteil der Domausstattung. Dazu zählen vor allem die Bernwardtür und die Christussäule, aber auch die Irmensäule, die Tintenfassmadonna und das Gründungsreliquiar.

Bernwardtür mit reichem Bildprogramm

Die Bernwardtür geht auf den heiligen Bischof und Bistumspatron Bernward (um 960-1022) zurück. Sie besteht aus zwei Flügeln und ist fast fünf Meter hoch. Ihr reiches Bildprogramm stellt Szenen aus dem Alten und Neuen Testament gegenüber. Die Bernwardtür datiert laut Inschrift auf das Jahr 1015. Sie wird 2015 also 1000 Jahre alt. Das Besondere: die riesigen Türflügel wurden jeweils in einem Stück gegossen. Die Bernwardtür wurde im Zuge der Domsanierung wieder mit dem Bildprogramm nach außen eingehängt (zwischen Kirchenschiff und Westparadies). Somit erhielt auch sie ihren ursprünglichen Platz zurück. Aus konservatorischen Überlegungen - um die Darstellungen zu schonen - war die Tür nach dem Wiederaufbau mit dem Bildprogramm nach innen eingehängt worden.

Entwürfe zur Christussäule stammen von Bischof Bernward

Auch die Christussäule – die auch als Bernwardsäule bekannt ist – zeigt ein reiches Bildprogramm und wird auf Entwürfe von Bischof Bernward zurückgeführt. Die Christussäule ist fast vier Meter hoch und hat einen Durchmesser von fast 60 Zentimetern. Sie erzählt vom öffentlichen Wirken Jesu Christi, von der Taufe im Jordan durch Johannes den Täufer – als Jesus erstmals als Erwachsener in Erscheinung trat – bis zu seinem triumphalen Einzug in Jerusalem, kurz vor seinem Kreuzestod und der Auferstehung. Die Christussäule ist nach der Domsanierung an ihren Platz im südlichen Kirchenschiff zurückgekehrt.

Legenden umranken die Irmensäule

Noch eine weitere Säule hat eine tragende Rolle im Hildesheimer Dom: die Irmensäule. Ihre Herkunft liegt im Dunkeln. Fest steht nur, dass auch sie aus dem Mittelalter stammt. Die fast 2,5 Meter hohe Säule wurde vermutlich einst als besonderer Leuchter benutzt. Gekrönt war sie seit dem 17. Jahrhundert mit einer Marienstatue und einem Kranz aus 14 Kerzen. In den vergangenen fünf Jahrzehnten stand die Irminsul, wie sie auch heißt, auf dem Godehardichor. Nun ist sie in den Hochchor gerückt worden, wo sie den Abschluss der Blickachse von der Bernwardtür bis zur Apsis bildet. Statt der Marienfigur ist sie nun von einem Bergkristallkreuz gekrönt - dem zentralen Symbol des Christentums.

Tintenfassmadonna wurde restauriert

Zu den Besonderheiten des Hildesheimer Doms gehört auch eine ungewöhnliche Statue von Maria mit dem Jesuskind: die sogenannte Tintenfassmadonna. Die lebensgroße Holzplastik entstand um 1430. Der lebhafte Knabe beugt sich hinunter zum Betrachter. Er hält eine Schreibfeder in der Hand und hat auf seinen Knien eine Buchrolle liegen. Seine Mutter hält ihm das Tintenfass. Damit wird zum einen das mittelalterliche Motiv des lernenden Jesusknaben aufgegriffen, zum anderen aber auch darauf verwiesen, dass bereits das Kind Jesus die ganze Fülle der göttlichen Weisheit besitzt. Während der Domsanierung wurde auch die Tintenfassmadonna grundlegend restauriert. In der Klosterkammer Hannover konnte Restauratorin Roksana Jachim die Farben freilegen, die die Madonna in der Zeit des Barock erhalten hatte – das Obergewand in blau, rosafarben das Untergewand. Die Statue erhält dadurch einen viel lebendigeren, deutlich veränderten Ausdruck. Die Tintenfassmadonna hat wieder einen prominenten Platz an dem Vierungspfeiler.

Kostbare Ausstattungsstücke in den gotischen Seitenkapellen

Nicht nur das Mittelschiff des Doms wurde deutlich verändert, sondern auch die neun gotischen Seitenkapellen. Sie alle sind ebenerdig zum Mittelschiff, die beiden Bereiche der Kirche trennt also keine Stufe. Sie beherbergen künftig weitere kostbare Ausstattungsstücke des Doms, geben aber auch Raum für die neue Chororgel und für die persönliche Andacht.

Bildergalerie: Die Kapellen und ihre Ausstattung im Überblick

Die Kapellen und ihre Ausstattung im Überblick

Zwei neue Orgeln für die Dommusik

Weil Musik mit ihrer feierlichen und unmittelbaren emotionalen Wirkung eine zentrale Rolle in der Liturgie, in den Gottesdiensten und Andachten, spielt, ist es gerade für eine Bischofskirche wichtig, eine wohl klingende Orgel zu haben. Die Hildesheimer Dommusik bekam im Zuge der Domsanierung zwei neue Orgeln - wobei die neue Hauptorgel rund 80 Prozent der alten Domorgel enthält. Beide Orgeln entstanden in der Werkstatt der Orgelbaufirma Seifert in Kevelaer und konnten dank großzügiger Spenden finanziert werden. Die Hauptorgel schwebt als sogenannte Schwalbennestorgel über dem Hauptportal beziehungsweise der Bernwardtür. Die Chororgel, etwa für den Einsatz im Alltagsgottesdienst, befindet sich in der Gnadenkapelle.

Neues Lichtkonzept für den Dom

Zu den Neuerungen nach der Domsanierung zählen auch neue Fenster und eine neue Lichtanlage mit modernster Technik. Beides trägt zum Konzept des hellen, lichten Doms bei. Das Gotteshaus erhielt Fenster, die mit modernster Technik und in Anlehnung an die mittelalterliche Grisaillemalerei entstanden sind - hergestellt in einem spektakulären, computergesteuerten Verfahren. Die am äußeren Rand sichtdurchlässigen Fenster schaffen eine Verbindung vom Dominneren zur Außenwelt auf dem Domhof - und umgekehrt. Die fast vier Meter hohen und über zwei Meter breiten Fenster wurden in der Paderborner Firma Glas Peters hergestellt und in einem Stück im Ofen gebrannt.

Auch das Lichtkonzept ist eigens für den Hildesheimer Dom entwickelt worden. Dabei kommt modernste Technik zum Einsatz. Zu 80 Prozent ist die Beleuchtung im Dachstuhl montiert, andere Lichtquellen verschwinden fast in Boden- und Wandleisten. So kann der sakrale Raum ungestört von Strahlern und Lampen wirken. Spektakulär: Fast jede Gottesdienst- und Andachtssituation wird im Computer einprogrammiert. Der Küster kann sie leicht mit einem Fingerwischen wie beim Tablet-PC bedienen. Eine neue LED-Technik erlaubt es, einzelne Elemente oder Szenen auch aus großer Höhe punktgenau zu treffen. Das könnte theoretisch und im Extremfall sogar nur die Fingerspitze des Lektors sein, der das Lektionar umblättert. Entwickelt hat das Lichtkonzept nach den Vorstellungen der Architekten das Ingenieurbüro Walter und Michael Bamberger aus der Nähe von Eichstätt.

Die Irmensäule im Hildesheimer Dom.

Irmensäule: auch Irminsul genannt, im 11. Jahrhundert von Bischof Hezilo (1054-1079) für den Hildesheimer Dom gestiftet; Material: Kalksinter: Höhe: 2 Meter. Die Verwendung der Irmensäule ist noch nicht historisch belegt, wahrscheinlich trug sie einst die Osterkerzen. Die seit dem 17. Jahrhundert die Spitze krönende silberne Marienfigur wird nun durch ein Kristallkreuz ersetzt.

Bernwardtür des Hildesheimer Doms entstand um 1015.

Bernwardtür: entstanden um 1015 in der Amtszeit von Bischof Bernward (993-1022); Bronze; Höhe: 4,72 Meter; Breite: 1,25 Meter (links) bzw. 1,14 Meter (rechts), Stärke: zwischen 3,5 und 4,5 Zentimetern; Gewicht: jeweils etwa 1,85 Tonnen pro Flügel). Die doppelflügelige Tür zeigt 16 Bildfelder, die Szenen des Alten Testaments Darstellungen des Neuen Testaments gegenüberstellen. Das Bildprogramm reicht von der Schöpfungsgeschichte bis zur Auferstehung Jesu Christi.

Der Heziloleuchter im Dom Hildesheim ist der größte erhaltene mittelalterliche Radleuchter.

Heziloleuchter: gestiftet von Bischof Hezilo (Amtszeit: 1054-1079); vergoldetes Kupfer; Durchmesser: 6 Meter. Der Heziloleuchter ist der größte erhaltene mittelalterliche Radleuchter. Er ist mit zwölf Türmen und zwölf Toren geschmückt, die einst Figuren enthalten haben. Der Leuchter trägt 72 Kerzen. Er versinnbildlicht das himmlische Jerusalem, das Reich Gottes. Insgesamt sind vier mittelalterliche Radleuchter erhalten, zwei davon besitzt Hildesheim (Heziloleuchter als der größte, Thietmarleuchter als der älteste. die anderen beiden sind im Aachener Dom beziehungsweise in Großcomburg bei Schwäbisch Hall).

Die Christussäule im Dom Hildesheim.

Christussäule: entstanden um das Jahr 1020 in der Amtszeit von Bischof Bernward (993-1022); Bronze; Höhe: 3,79 Meter; Durchmesser: 58 Zentimeter. Zu dieser Zeit ungewöhnlich: die Plastizität, die Lebendigkeit und Bewegtheit der dargestellten Figuren in 28 Szenen aus dem Leben Jesu. Die Christussäule wird auch Bernwardsäule genannt

Tintenfassmadonna im Dom Hildesheim.

Tintenfassmadonna: geschaffen um 1430; Höhe: 1,80 Meter. Die im gotischen S-Schwung dargestellte Muttergottes ist aus Holz gefertigt und hält ein Tintenfass in der Hand, das sie dem Jesusknaben auf ihrem Arm hinhält. Er hat eine Schreibfeder sowie eine Pergamentrolle auf dem Arm.

Der Thietmarleuchter im Hildesheimer Dom war bislang auch als Azelinleuchter bekannt.

Thietmarleuchter: bislang auch als Azelinleuchter bekannt, nun Bischof Thietmar (1038-1044) zugeschrieben; vergoldetes Kupfer. Der Thietmarleuchter ist der älteste der vier in Deutschland erhaltenen mittelalterlichen Radleuchter. Jahrzehnte im Mittelschiff der ehemaligen Antoniuskirche beheimatet, kehrt er mit der Sanierung in den Hildesheimer Dom zurück.